Skip to main content

QUANTUM PHYSICS by

DENNIS
LÖW

DENNIS
LÖW

Der Meisterschüler von Gerhard Richter begeistert den internationalen Kunstmarkt. Die KUNSTAGENTUR zeigt seine jüngsten Werke in Son Vida.
Der Meisterschüler von Gerhard Richter begeistert den internationalen Kunstmarkt. Die KUNSTAGENTUR zeigt seine jüngsten Werke in Son Vida.

VITA

1962 geboren in Leverkusen
1981 Abitur
1981-1982 Auslandsaufenthalt Florenz, Italien
1982-1988 Kunstakademie Düsseldorf, Studium der freien Malerei, Meisterschüler Professor Gerhard Richter
1983-1989 Universität Wuppertal, Studium Kommunikationsdesign,
Diplom Kommunikationsdesign Professor Bazon Brock
Dennis Löw lebt und arbeitet in Düsseldorf

Kunsthistorische
Einordnung

Kunsthistorische
Einordnung

Dr. Marta Cencillo Ramírez
Dr. Marta Cencillo Ramírez

Es gibt zahllose Formen von Materie und Sternsystemen sowie Trilliarden Galaxien im Universum. Vor einem großformatigen Werk der Serie „Körper und Materie“ oder „Elementarteilchen“ von Dennis Löw stehend reagiert der Betrachter ähnlich verblüfft über die erhabene Schönheit des virtuosen Malduktus, über Oberflächentexturen und lesbare Malspuren. Augenblicklich nimmt er eine kontemplative Haltung ein, erstaunt über das Raum- und Zeitgefühl, das er erlebt: als schwebe er schwerelos im All, als tauche er in das Bilduniversum ein und reise mit den Augen in eine Landschaft innerer Strukturen. Der Eindruck von Stille und Entschleunigung stellt sich ein, wenn der Blick in einem ansonsten leeren Raum auf die isolierte, dahindriftende Materie fällt. Einmalig, unwiederholbar und nur von kurzer Dauer, denn die Materie droht aus dem Sehfeld – durch den Ausschnitt der Leinwand begrenzt – im nächsten Augenblick zu verschwinden. Der bizarr-schöne Farbkörper ist stellenweise so filigran und transparent, dass der Hintergrund durchschimmert, an anderen Stellen so dicht, dass er zu einer haptisch real greifbaren Plastik wird. Die Materie hat sich kurz der Beschleunigung entzogen, der sie ausgesetzt zu sein scheint, um eine Art frontales Portrait innezuhalten: Malerei als Zeuge eines flüchtigen Zustands. 

Autor dieser Malereiserien ist Dennis Löw, 1962 in Leverkusen geboren. Er hat die Fackel des abstrakten Expressionismus, der Farbfeldmalerei und des Informell seiner Vorgänger aufgenommen und stürmt mit ihr als Meisterschüler und designierter Nachfolger seines Vorbildes und Lehrers Gerhard Richter in eine neue Dimension der Malerei. Virtuos, präzise, klar und reflektiert: Diesen Eindruck macht nicht nur der Künstler als Mensch, sondern auch sein Werk, das er systematisch, aber auch experimentierfreudig wie ein Wissenschaftler vorantreibt. 1982 bis 1988 studierte er an der Kunstakademie Düsseldorf und parallel zum Kunststudium Kommunikationsdesign in Wuppertal. Als Meisterschüler von Gerhard Richter, Künstler der ersten Stunde an seiner Seite, weiß er seine Unterstützung und Anerkennung sehr zu schätzen und schöpft heute aus dem Vollen. Löw beherrscht spielerisch die Techniken und die Auftragsmethoden seines Lehrers. Wer kennt sie nicht, die abstrakten Farbuniversen von Gerhard Richter, die in einer offenen, prozessorientierten Malerei aus messbar dicker Farbmaterie im gelenkten Trocknungsprozess aus aufgespachtelter und gerakelter Farbe aufgebaut sind? Es ist zunächst kaum vorstellbar, wie diese hochkomplexe abstrakte Schichtenmalerei weitergedacht werden kann. In welche Richtung kann man denn noch gehen?

Mit seinen Werkreihen „Körper und Materie“, „Structures“,  „Aggregate“, „Elementarteilchen“ und „Fragmente“ überzeugt Dennis Löw nicht nur mit Schlüssigkeit und Authentizität, er begründet auch seine eigenständige, singuläre Position mit hohem Wiedererkennungswert und ästhetischem Genussfaktor. Seine farbkräftigen, expressiven Arbeiten verbinden in lebendiger Dualität eine rationale Reduktion und Klarheit mit der Sinnlichkeit von Farbe und Textur. Der Künstler „will überrascht sein von dem, was da entsteht“. Dennis Löws Serien lassen bei jedem Betrachter individuelle Erinnerungs- und Vorstellungsbilder aufkommen: Für einige scheint „Elementarteilchen 32“ durch das Universum treibende Asteroiden zu zeigen. Dagegen erinnert die rotweiße Materie in „Elementarteilchen 1“ vielleicht an zerfetzte Muskelfasern, oder der hellblaue Hintergrund an Himmel, Luft, Sphärisches. Auf die Farbmaterialität des gemalten Körpers reduziert wird dieser prominent präsentiert, bildmittig, wie ein Monument der Malerei.

Dennis Löws Arbeiten entstehen in parallelen Malphasen zueinander. Er nummeriert sie systematisch durch und ordnet sie Serien zu, deren Namen jeweils Programm ist. Nehmen wir z. B. den Titel „Körper und Materie“. Löw „untersucht“ aus einem immer reduzierteren und dichteren Malen heraus die Grenze zwischen einem illusionistisch gemalten Körper und der darstellenden, physisch real greifbaren Farbmaterie, ein immer wiederkehrendes Thema der Kunstgeschichte. Die Entkoppelung von Körper und Grund war bereits in der Moderne, spätestens bei Wassily Kandinsky erfolgt, wird z. B. in der Werkreihe „Elementarteilchen“ bildprägend: Das Schweben eines Körpers in einem Bilduniversum. Die weitere Reduktion der Malerei Löws führt dann in „Fragment“ wiederum zur Entkoppelung, aber auf eine Art, die eine eigene, neue Position prägt: Auf einen Hintergrund wird gänzlich verzichtet. Es gibt keine vorgetäuschte Tiefendimension, nur die weiße Leinwand, die als physischer Träger fungiert. Dennis Löws letzter Reduktionsschritt zielt auf die reine Farbe, auf die reine Malerei ab.

Glänzendes Gold, knisternd-fließende Seide, blasses Inkarnat: Materialien lassen sich in Gemälden durch Farben „nachahmen“, auf der Bildfläche illusionieren, wie schon Leon Battista Alberti 1435/36 in seinem Traktat „Über die Malerei“ festhält. Das Material Farbe wurde zu seiner Zeit subordiniert, instrumentalisiert, um andere Stoffe, aus denen die dargestellten Motive bestehen auf der Bildfläche „erscheinen“ zu lassen. Die aufkommende Kunstkritik thematisierte die sichtbare Materialität des Farbauftrages als modern, so dass man von einer Verschiebung „von der Form zum Material“ sprechen kann. „Transparenz und Verdichtung der Farbmaterie waren die Mittel einer neuen, gegenwartsbezogenen und verzeitlichten Darstellung, die an die subjektive Licht-, Luft- und Bewegungswahrnehmung des Betrachters“, an die ästhetische Wahrnehmung appelliert. Im Zeitalter der glatten, perfekten Screenoberflächen zelebrieren wir „immaterielle“ Bilder als perfekte scharfkonturierte und in jedem Detail exakte Darstellungen. Unsere Wahrnehmung hat sich an neue Medien und computergenerierte Bilder geschult. Wie Monika Wagner treffend formuliert sind in dem gigantischen „musée imaginaire“ aus fotografischen Reproduktionen, Diapositiven, Filmen, Videos usw. die unterschiedlichen Materialien von Kunstwerken, ihre Farbmaterie ebenso wie ihre haptischen Qualitäten und die Spuren der Zeit geglättet“. Eine von der Abbildfunktion befreite informelle, prozessorientierte, offene Kunst, die auch Ausgangspunkt für Dennis Löw ist, schätzt die Materialität der Farbe in hohem Maße. 

Urknall im Bild-Universum

Im Laufe seiner malerischen Entwicklung hat Dennis Löw sein Konzept von dem, was ein Bild sein kann, geändert. Zwischen den Werkreihen, die eine Ästhetik des All-Overs zeigen - ein Ausschnitt aus einem vielleicht unendlich größeren Ganzen zu sein vorgeben - und den Reihen „Körper und Malerei“, „Elementarteilchen“ und „Fragment“ hat ein folgenreicher Paradigmenwechsel stattgefunden. Rein pragmatisch gesehen mag dieser veränderte Blick mit dem Bedürfnis zu tun haben, Zwischenstationen oder Details der Werke mit der Kamera oder dem Scanner zu fixieren und damit aber auch deren Bildästhetik anzunehmen, also vermittelt und mit einer gewissen „objektiven medialen Distanz“ auf die Malerei zu sehen. Dennis Löw arbeitet interdisziplinär. Fotografie und Ergebnisse aus dem Einsatz des Scanners existieren mit der Malerei nebeneinander, dokumentieren bestehende (Zwischen-) Zustände oder dienen als Skizze und Zeichnung für neue Bildkonstrukte. Diese Fotografien, die als Kunstwerke deklariert werden – und die Arbeit mit dem Scanner zeichnen herangezoomte und genauer ins Auge gefasste „Mikrokosmen“ aus dem komplexen Gesamtgefüge auf. Ergebnisse, die im fortschreitenden Prozeß der Malerei ansonsten verloren gingen.

Zuvor legte Gerhard Richter 1976, im selben Jahr, in dem die letzten Grauen Werke entstehen, auf kleinen Leinwänden starkfarbige Kompositionen an, die sog. Ölskizzen. Schließlich fotografiert er kleine Ausschnitte dieser Ölstudien und malt diese stark vergrößert ab. Auf diese Weise entstehen seine sogenannten „Weichen abstrakten Bilder“. Diese Methode Richters macht sich Dennis Löw zu eigen und nutzt sie für seine Belange. Der Übertrag eines Bildes von einem Medium in das andere ist bereits bei Gerhard Richter ein Spiel mit der scheinbaren Objektivität der Fotografie und wirkt sich auf den Prozess des Betrachtens aus. Welche Ebenen der Repräsentation gibt es? Zeigt der Ausschnitt aus dem gemalten Werk „die Materie Farbe“ oder steht sie für einen dargestellten „Farbkörper“? Wie bei Gerhard Richter, ist auch bei Dennis Löw die Dichtomie zwischen Materialität der gemalten Oberflächen und Illusionismus im Bild ein zentrales Thema. 

Eine derartige Vorgehensweise bleibt nicht ohne Folgen, die Wahrnehmung von Details und die Sensibilisierung für malerische Highlights im Mikrobereich lässt sich nicht zurückrudern. 

An Stelle weiterer abstrakter Bilder im konventionellen Sinne des All-Overs scheint es im Bilduniversum von Löw einen „UR-Knall“ gegeben zu haben und zerfetzte, in dünnen Lamellen herumgeschleuderte Teilchen ins Leere katapultiert worden zu sein. Diese Geschosse im All haben sich beruhigt und in einem stabilen Schwebezustand eine Position im Zentrum der Bilder aus den Serien „Elementarteilchen“ und „Körper-Materie“ eingenommen, so der Eindruck. Sie erinnern an eine altmeisterlich frontal angelegte Portraitmalerei etwas eines Rembrandt Harmenszoon van Rijns, wo lediglich das Gesicht durchgestaltet ist, das gesamte Umfeld bis zur Leinwandgrenze diffus und undefinierbar gehalten wird. Hatte Dennis Löw noch in seinen Fotografien, die ihn weiterhin begleiten, einen Ausschnitt selektiert, herangezoomt und isoliert, so ist in seiner so betitelten Serie der Eindruck eines Fragmentes als Konzept a priori angelegt: ein konsequent neuer Ansatz. Die Arbeiten mit dem Titel „Fragment“ sind keine Ausschnitte eines größeren Ganzen, kein Bild im Bild. Sie sind die Inszenierung komplexer Verschmelzungen auf einer möglichst reduzierten Fläche, eine Demonstration der Qualität von Malerei mit minimalen Mitteln. In „Fragment 1“ z. B. grenzt sich der Farbkörper von dem ihn umgebenden geweißten Leinenträger brachial ab, drängt sich im Mittelfeld unvermittelt und in kompakter Materialität auf, zeigt Präsenz, fordert den unbemalten Freiraum um sich herum ein. Malerei als Monument, prominnet präsentiert. 

Worin liegt der Paradigmenwechsel, den wir bereits angedeutet haben? Löws konsequentes und systematisches Arbeiten hat ihn ohne theoretisierende Motivationsgründe aus dem Prozess heraus unvermeidlich zu einer neuen Bildauffassung und zu einer destillierten Reduktion bis zu einer reinen Malerei als reine Farbe geführt. Das Ausloten der Grenzen des Bildes, des Verhältnisses Körper und Grund, die offensichtliche Materialität der Farbmasse, die illusionistischen Licht-, Schatten-, Volumeneffekte, der Schwebezustand im Raum: alle diese Ebenen betreffen Funktion, Grenzen und Möglichkeiten der Malerei im Bild. 

Die Serie „Fragment“ zeigt die weitreichendere Reduktion aus den bisherigen Erfahrungen. Jegliche Auftragstechniken und Wirkungserfahrungen des Malers fließen hier ein. „Fragment 1“ besteht aus zwei breiteren senkrecht „aufgerichteten“ Farbsträngen, übersäht mit Duktus und Spuren, die uns den Gestus des Farbauftrags und die Verschmelzung der Farbnuancen optisch nachvollziehbar machen. Versetzt in Höhe und Breite überschneiden sie sich minimal, ein schmaler Nebenstrang rechts von ihnen, ohne Berührungsfläche, begleitet sie. Die flachen, breiten oberen Enden der Hauptflächen legen nahe, dass Löw hier mit einem Spachtel angesetzt hat und die Farbe spitz auslaufen lässt. Farbe wird hier regelrecht zelebriert. Das Werk ist eine Hommage an die Möglichkeiten, die Malerei zu bieten hat, die Farbe, aufgetragen auf die Leinwand, hervorbringt.

Wo ist die Wirkungs-Grenze zwischen Wand, Leinwand und Bild? Eine Frage, die immer wieder, nicht nur von Robert Ryman gestellt wird und mit der Reduktion der Farbskala auf Weiß (für Löw nur der des Hintergrunds) und der Konzentration auf Variationen verschiedener Farbaufträge, Duktus, und Maltechniken auf der Bildfläche einhergeht. War bei den monochromen Farbarbeiten eines Marc Rothko und Barnett Newman der Raum vor dem Bild zum Träger der Farbe geworden, eine intensive Farbigkeit, die durch das Streulicht in den Raum hineinwirkt und die Nahsicht auf das Werk den Betrachter zu einer meditativen Rezeption veranlasste, so ist bei Dennis Löws „Fragment-Serie“ die Wand als Erweiterung der weißen Leinwand diejenige Fläche, auf die sich die Farbe als Materie, als Farbkörper real befindet. Sie wird direkt zum Träger der Farbe und damit wird der gesamte white cube, der Ausstellungsraum, in dem sich der Betrachter befindet, zum Wirkungsraum. 

Dennis Löw leitet mit seinen Werken einen Paradigmenwechsel ein, ein Umdenken, was die Malerei sein kann, was ein Bild ausmacht. Der vorliegende Katalog verfolgt nicht die Absicht eine formale Entwicklung des Werkes von Dennis Löw darzustellen oder einen Überblick über sein Œvre bis zum heutigen Tage aufzuzeigen. Er stellt diesen Paradigmenwechsel vor und versucht den Wandel grundlegender Rahmenbedingungen und Werte in Dennis Löws Malerei mit hohem Wiedererkennungswert, das Besondere seiner Kunstwerke herauszudestillieren. Er nimmt uns mit in eine neue Dimension der Malerei, virtuos, präzise, klar und reflektiert. Es geht ihm nicht vorrangig um Grundstrukturen der Komposition oder der Bildfläche, nicht um die Geometrisierung des Bildraumes, nicht um Illusionismus. Die Malerei ist identisch mit der real physisch fassbaren Farbmaterie und verweist nur noch auf sich selbst, ohne Täuschung oder Darstellungsabsicht, ohne leinwandfüllendes All-Over, ohne Hintergrund: Pur.